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Soziale Verschreibung

Die sozialen und gesundheitlichen Säulen in Deutschland sind starr: Auf der einen Seite steht die medizinische Behandlung von Ärzten im ambulanten und stationären Bereich, auf der anderen Seite soziale Angebote. Es ist bekannt, dass soziale Bedürfnisse und Belastungen wie Armut einen bedeutenden Einfluss auf die Gesundheit haben, jedoch werden diese in der Gesundheitsversorgung oft nicht ausreichend berücksichtigt. Dazu können ungünstige Lebens- und Umweltbedingungen die Lebensqualität und das Lebensalter beeinflussen. Die Förderung und Verbesserung der „sozialen“ Gesundheit kann somit die körperliche und psychische Gesundheit verbessern.

Mit dem neuen Projekt „Soziale Verschreibung“ versuchen die Partner Caritas Witten und die Hausarztpraxis Medi-Team (Schmelzer) hier eine Brücke zwischen den beiden Systemen zu schlagen. Die WAZ Witten berichtet: Soziale Kontakte gibt’s jetzt auf Rezept

Aus der Praxis – Soziales Rezept wirkt!

Unsere Aufgaben beim Sozialen Rezept sind (Aufzählung nicht abschließend, Stand 9/2024):

  • Unterstützung bei nicht medizinischen Problemen und Sorgen
  • Kontaktvermittlung und wenn gewünscht Begleitung zu den zuständigen Stellen
  • Unterstützung bei Antragsstellungen
  • Kontakte zu Gruppen und Angeboten im Wohnbezirk

Beispiel 1

Ab Januar 2024 Herr X. wird vom Hausarzt zu uns geschickt, weil sich das Bronchialleiden des über 70jährigen nicht bessert – vermutete Mitursache ist eine Wohnung mit teils nassen oder feuchten Wänden und Schimmelbildung. Um überhaupt umziehen zu können, braucht Herr X. das Einverständnis des städt. Amtes für Soziales und Wohnen, da er Grundsicherungsempfänger ist. Herr X. möchte aber nicht dort anfragen, weil es in der Vergangenheit Konflikte gab. Mit einigen Auflagen läßt sich das aber von uns klären. Gemeinsam mit Herrn X. schreiben wir die Wohnungsgenossenschaften in der Innenstadt an und fragen nach. Herr X. fragt selbst bei privaten Vermietern an. Inzwischen verschlechtert sich der Wohnungszustand weiter, der Vermieter zeigt wenig Interesse etwas zu verbessern, die Hausmeister wechseln oft. Herr X. schaltet den MieterInnen Verein ein, der ihm hilft, die Miete anteilig zu kürzen. Auch das Amt für Soziales und Wohnen nimmt sich der Sache an und sperrt aufgrund der Gesundheitsgefährdung den Dachboden und den Keller des Gebäudes. Herr X. ist sehr mitgenommen von der Entwicklung und manchmal einem Nervenzusammenbruch nahe:
Wir raten ihm, nicht jede Auseinandersetzung anzunehmen, sondern vorrangig darauf zu schauen, dass er gesund bleibt… Die gemeinsame Wohnungssuche geht weiter: Manche privat angebotenen Wohnungen machen auch keinen besseren Eindruck als die vorhandene…


Beispiel 2 März 2024
Frau A. meldet sich bei uns, ihr Hausarzt hat dringend empfohlen, mehrmals wöchentlich
Spaziergänge in Begleitung zu unternehmen, weil ihr Blutdruck zu niedrig sei. Es wird der Kontakt
zu einer Spaziergangsgruppe „Witten zu Fuß erkunden“ hergestellt. Frau A. schließt sich der
Gruppe an und besucht auch das monatliche Gedächtnistraining im Cafe Credo, welches jeden 2.
Mittwoch ab 15 Uhr dort stattfindet.


Beispiel 3 September 2024
Wir bekommen aus der Arztpraxis den Hinweis auf Frau B., 87 Jahre, alleinstehend und stark
eingeschränkt in ihrer Bewegungsfähigkeit. In ihrer Wohnung im 1. Stock kann sie sich nur mit dem Rollator von Zimmer zu Zimmer bewegen, aber auch das fällt ihr schwer. Frau B. freut sich sehr über den Hausbesuch einen Tag später. Es stellt sich heraus, dass Frau B. in der letzten Woche seit mehr als zwei Jahren zum ersten Mal die Wohnung wieder verlassen konnte, weil ein
Krankentransportdienst sie die Treppe hinunter getragen hatte, damit sie einmal zur Sparkasse
konnte. Kostenpunkt 160 Euro: „Das kann ich mir nicht allzu oft leisten…“, sagt sie.
Frau B. braucht dringend ein zusätzliches Merkmal zu ihrem alten Schwerbehindertenausweis,
damit sie ermäßigt befördert werden kann. Wir helfen ihr bei einem „Verschlimmerungs – Antrag“, der noch am gleichen Tag beim Gesundheitsamt gestellt. Auch der Pflegegrad 2 ist für die vielfältigen Einschränkungen unter denen Frau B. leidet, nicht mehr zeitgemäß. Der dazu nötige Antrag an die Krankenkasse wird in der Woche darauf gestellt. Weitere Unterstützungsangebote scheinen erforderlich: Wenn Frau B. es möchte, helfen wir dabei.



Rolf Kappel
Dipl.-Sozialarbeiter
02302 2783626
rolf-kappel@caritas-witten.de