
Quelle: WAZ 23.06.2025, Autorin: Annette Kreikenbohm
Die Wittenerin Christel lebte allein, viel zu lange. Das ist jetzt anders – dem Besuchsdienst der Caritas sei Dank. Wie die 73-Jährige aufblühte.
Was das Alter angeht, liegen die beiden gar nicht so weit auseinander: Mechthild ist 69, Christel 73 Jahre alt. Vielleicht verstehen sich die Frauen deshalb so gut. Gefunden haben sie sich über den neuen Besuchsdienst der Caritas in Witten. Die eine macht mit, weil sie sich oft allein fühlt. Die andere hat ein Ehrenamt gesucht. Nun unternehmen sie regelmäßig etwas zusammen – und haben beide etwas davon.
„Ich habe Zeit und wollte mich irgendwo einbringen“, sagt Mechthild, die ihren Nachnamen nicht nennen und auch kein Foto von sich machen lassen möchte. Doch über ihr Engagement will sie sprechen, denn vielleicht findet es Nachahmer. Die 69-Jährige, die bis zur Rente als Erzieherin arbeitete, hat bereits ein Jahr lang eine Art Hausaufgabenhilfe bei der Caritas begleitet. Nun will sie den Fokus auf die ältere Generation richten.
Wittener Projekt „Soziales Rezept“ trifft einen Nerv
Da kam das Angebot von Rolf Kappel genau zur rechten Zeit. Der Sozialarbeiter, zuständig für die Gemeinwesenarbeit im Marienviertel, betreut auch das Projekt „Soziales Rezept“. Ärzte verordnen dabei jenen Patienten soziale Kontakte, bei denen sie das Gefühl haben, dass diese einsam sind. Der Bedarf ist so groß, dass Kappel nun Freiwillige sucht, die mit ihnen etwas unternehmen. Mechthild war sofort angetan von der Idee.
Die Rüdinghauserin hat Christel zum ersten Mal beim Mittagstisch im Café Credo an der Hauptstraße getroffen, den die 73-Jährige regelmäßig besucht. Das war Anfang des Jahres. „Es gab Grünkohl“, erinnert sich Mechthild. Rolf Kappel hat die beiden Frauen miteinander bekannt gemacht. Sie haben ein bisschen miteinander geplaudert, Telefonnummern ausgetauscht – und seitdem treffen sie sich ein- bis zweimal pro Woche.
73-Jährige Wittenerin: Ich war erst skeptisch
Sie sei ja erst ein wenig skeptisch gewesen, sagt Christel, die irgendwo am Crengeldanz lebt und nur Familie in Norddeutschland hat. Ob man sich wohl versteht? Wie ist die andere so? Solche und ähnliche Fragen trieben sie um. Doch sie hat sich auf den neuen Kontakt eingelassen und ihre Vorbehalte schnell abgelegt. „Es macht doch alles mehr Spaß zu zweit“, sagt sie, die sonst viel allein in der Stadt unterwegs war. Denn nur zuhause sitzen – „da kriegt man ja die Krise.“ Auch Mechthild hat längst festgestellt: „Das passt.“ Die Frauen erledigen nicht nur gemeinsam Besorgungen oder den Wocheneinkauf. Sie verbringen ganze Nachmittage zusammen. So waren sie zum Beispiel – Mechthild hat ein Auto – im Ruhrpark shoppen. Christel wünschte sich ein neues Kleid, weil in ihrer Familie eine Hochzeit ansteht. Der Erfolg wurde mit einem Essen im Nordsee-Restaurant gefeiert. „Da war ich schon ewig nicht mehr“, sagt Christel.
Wittenerinnen haben noch viele Pläne
Sie waren auch schon am Harkortsee spazieren. Erinnerungen wurden dort wach. Denn Christels Vater stammt aus Wetter. Bei sommerlichen Temperaturen schlemmen die Wittenerinnen gerne in den örtlichen Eisdielen. An weiteren Zielen mangelt es den unternehmungslustigen Frauen nicht. Der Hohenstein und der Hammerteich stehen demnächst auf dem Programm.
Auch nach dem Gespräch in der Redaktion haben sie noch Pläne. „Wir müssen einen Friseurtermin für dich machen und einkaufen gehen“, sagt Mechthild. Christel nickt, und man spürt, wie ehrlich sie es meint, wenn sie sagt: „Gut, dass wir uns kennengelernt haben.“ Gemeinsam wollen sie noch viele schöne Erinnerungen sammeln.