Für ein Ende ohne Einsamkeit: Ehrenamtliche Bestattungshelfer sollen Würde schenken, wenn Angehörige fehlen – ein wachsendes Problem.
Quelle: Ein WAZ-Artikel von Gordon Wüllner, 15.01.2019
Mit Zigarette im Mundwinkel schüppt der Friedhofsgärtner ein Häufchen Erde über die Urne. Niemand sonst wohnt dem Abschied bei. Unwürdige Szenen. „Aber so etwas spielt sich auf Friedhöfen in Deutschland ab“, sagt Hartmut Claes, Vorstand der Caritas Witten. Er weiß, was Einsamkeit und Anonymität im Alter für gesellschaftliche Probleme geworden sind. In der Ruhrstadt soll es derartige Szenen allerdings nicht mehr geben. Ehrenamtliche Bestattungshelfer sollen künftig auch Verstorbenen ohne Hinterbliebenen eine würdevolle Beisetzung bereiten.
Ein Artikel in der WAZ hatte die Caritas 2017 darauf aufmerksam gemacht, wie pietätlos sogenannte „ordnungsbehördliche“ Bestattungen in Augen der Kirchen häufig von statten gehen – also Beerdigungen, bei denen sich keine Angehörige ermitteln lassen oder diese sich weigern, eine Beisetzung zu bezahlen. „Der Artikel hat viele Wittener, auch unser Personal sehr bewegt“, sagt Claes. „Auch mich, weil zwei Tage vor Erscheinen des Berichts mein Vater beerdigt wurde.“
Trend zur Einsamkeit
Aus dem Berührtsein entwickelte sich die Idee für eine ehrenamtliche Trauerhilfe. Wenn keine oder kaum Angehörige vorhanden sind, sollen die Ehrenamtlichen bei der Urnenbegleitung zur Grabstätte dabei sein und – sollte kein Priester vor Ort sein – einen Trauertext vortragen, Kerzen anzünden und ein Blümchen vor der Ruhestätte platzieren.
Zwar habe sich die Situation auf den Wittener Friedhöfen seit 2017 verbessert, wie Claes erläutert. Denn der „mangelhaft“ arbeitende Detmolder Bestatter, der zu der Zeit von der Stadt beauftragt wurde, sei inzwischen durch den Wittener Bestatter Wilhelm Bohnet ersetzt worden. „Allerdings steigt die Zahl der einsamen oder anonymen Bestattungen stetig“, ergänzt Malgorzata Duzynski, Koordinatorin des neuen Caritas-Projekts. 2016 fanden 45 ordnungsbehördliche Bestattungen statt, 58 waren es im Jahr 2017.
Schulungen für Ehrenamtler
Ina Bruns möchte diesem traurigen Trend zum einsamen Tod nun mit mehr Menschlichkeit begegnen. Als eine der Ersten hat sie sich freiwillig für die Bestattungsbegleitung gemeldet. „Als ich von dem Problem gehört habe, war es mir direkt ein inneres Bedürfnis, hier zu helfen“, sagt die 51-Jährige, die sich Mitte letzten Jahres bei der Caritas-Freiwilligenagentur Fokus über Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements informierte. „Schließlich hat jede Seele eine würdevolle Bestattung verdient.“
Eine Beerdigung begleitet hat Bruns bislang noch nicht. Das vom Erzbistum Paderborn finanzierte Projekt soll nun jetzt erst richtig losgehen. Zum Auftakttreffen am Donnerstag, 17. Januar (Café Credo, Hauptstraße 81, von 17 bis 18.30), sind alle eingeladen, die sich für ein Ehrenamt als Bestattungshelfer interessieren. Folgend sollen die Freiwilligen in Schulungen auf ihre verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet werden. Bei fünf praxisnahen Terminen (24.1., 25.1., 31.1. 12.2., ein Termin offen) soll es um Themen wie rechtlichen Regelungen im Fall des Todes oder Möglichkeiten gehen, Kondolenzgespräche zu führen.
Erinnerungscafé für Trauergäste
Denn die Ehrenamtlichen sollen nicht nur als Bestattungs-, sondern auch als Trauerhelfer arbeiten. „Dabei ist uns auch die Nachhaltigkeit wichtig“, sagt Malgorzata Duzynski. Heißt: Langfristig soll ein Erinnerungscafé für Trauergäste etabliert werden, die nach der Beerdigung nicht die Möglichkeit haben, sich über die Verstorbenen auszutauschen.
>> INFO: Warum es 2017 Probleme mit Bestattungen gab
- Man unterscheidet reine Sozialbestattungen und ordnungsbehördliche Bestattungen. Anders als bei den Sozialbestattungen, bei denen Angehörigen schlichtweg das Geld fehlt und das Sozialamt beispringt, regelt das Ordnungsamt Beerdigungen, bei denen sich keine nach dem Gesetz „beerdigungspflichtigen“ Angehörigen darum kümmern wollen.
- Bei diesen Bestattungen gab es 2017 Probleme, weil es beim beauftragen Detmolder Bestatter Versäumnisse mit der Terminkoordination gab. Die Beisetzungen wurden teils durchgeführt, ohne den Pfarrer zu informieren.