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Junger Syrer engagiert sich ehrenamtlich bei der Caritas

Wittener Flüchtling Mendo: „Ich finde Deutsch nicht schwer“

Quelle: WAZ Witten 19.05.2025, Autor: Jürgen Overkott

Witten. Der Psychologiestudent (31) lebt erst seit kurzem in Witten, hat aber fix Deutsch gelernt – ohne Kurs und Schule. Wie hat er das geschafft?

Als der Krieg kam, studierte er Psychologie in Damaskus. Mendo Shahin floh zunächst von Syrien ins Nachbarland Irak. Seit zweieinhalb Jahren lebt der 31-Jährige in Witten. Der Kurde arbeitet Vollzeit in einer Bochumer Waschstraße. Das bringt ihm Geld. Erfüllung bringt ihm die Arbeit jedoch nicht. Deshalb hat der Mann einen Plan. Er will ehrenamtlich Kindern helfen. Was hat er vor?

Mendo Shahin liebt das Leben in Deutschland, die Freiheit, vor allem die Religionsfreiheit: „Ich glaube schon an Gott, aber ich gehöre keiner Religion an. In Syrien musst Du aber einer Religion angehören, gar keiner Religion anzugehören, das geht dort gar nicht.“

Wittener Geflüchteter ist Fan vom FC Barcelona

Seitdem Mendo Shahin im Ruhrgebiet ist, verfolgt er ein Ziel: Er will so schnell wie möglich in der deutschen Gesellschaft ankommen. „Deshalb wollte ich sofort Deutsch lernen“, betont er. Gedacht, getan. Mendo Shahin hat aber weder Kurs noch Schule besucht. Er ging einen anderen Weg: „Ich habe mir YouTube-Videos angeschaut.“

Obendrein hat er sich Deutsch-Bücher angeschafft, Rechtschreibung, Grammatik, das volle Programm. In seinem Wohnzimmer liegt eines oben auf dem Bücherstapel, daneben Fachliteratur: „Kursbuch Gesundheit“. Mendo Shahin lernt systematisch. Er spricht bereits sehr gut Deutsch, mehr noch, er schreibt sogar gut – oft mit Hilfe des Programms ChatGPT. Im Rückblick sagt der vielsprachige Mann, der auch Kurdisch, Arabisch und Englisch beherrscht: „Ich finde Deutsch nicht schwer.“

Sprache öffnet Türen. Das weiß Mendo Shahin. Und es funktioniert jeden Tag: bei der Arbeit, bei Behörden, bei Nachbarn. Der Fußball-Fan –Lieblingself: FC Barcelona – kickt nebenher in einer Hobbytruppe.

Der Mann weiß sich zu helfen – auch im Alltag. Seine Wohnung ist modern eingerichtet. Mendo Shahin steht in seiner Küche, kocht starken Kaffee. Und nicht nur den: „Kochen ist für mich kein Problem. Ich war im Irak sieben Jahre lang in verschiedenen Hotels.“ Seine Spezialität ist Yarbaq: gefüllte Weinblätter. Sie schmecken nach Heimat.

Dennoch bleibt Einsamkeit. „Wenn ich nach Hause komme“, sagt Mendo Shahin mit einer raumgreifenden Bewegung, „ist keiner da.“ Kontakt zur Familie hält er allabendlich über Videoschalten. Seine Frau (30), seine Tochter (7) und sein Sohn (4) leben noch im Irak. „Das letzte Mal habe ich sie im August vorigen Jahres gesehen“, sagt Mendo Shahin. Er nimmt ein Foto in die Hand. Traurigkeit huscht über sein Gesicht. Er fängt sich schnell. Darf die Familie nachkommen? Mendo Shahin hofft es.

Der 31-Jährige will sich neben seinem Vollzeitjob ehrenamtlich engagieren: Soziale Arbeit ist sein Ding. „Ich habe Kontakt zur Caritas aufgenommen“, erzählt Mendo Shahin. Enise Göktepe von der Freiwilligenagentur vermittelte ihn an die Hausaufgabenbetreuung im Caritas-Büro Hauptstraße 81. Fachleute wie der Syrer sind gefragt. Stadtteil-Mutter Rim Alabdallah: „In der Innenstadt haben wir einen hohen Migrantenanteil.“

Der neue Lehrer ist der einzige Mann im 13-köpfigen Caritas-Team. Wegen des frühlingshaften Wetters kommen 13 Kinder etwas später als sonst, aber sie kommen, und sie haben erkennbar Lust zu lernen. Sohaib (7) ist erst seit einigen Monaten in Witten. Mendo Shahin bringt ihm erste Deutsch-Vokabeln bei. Die Chemie zwischen den beiden: Sie stimmt.

Fahrprüfung für deutschen Führerschein fiel Syrer leicht

Ehrenamtliche Arbeit ist Geben und Nehmen. Mendo Shahin freut sich schon auf die Kontakte, die durch die ehrenamtliche Arbeit entstehen. Zugleich aber hofft er, sein Psychologiestudium in absehbarer Zeit fortsetzen zu können. Immerhin gibt es an der Universität Witten/Herdecke Studiengänge für Pflegewissenschaft wie Psychologie, die Ruhr-Universität Bochum bietet Erziehungswissenschaften an.

Die Freiwilligenagentur

Die Caritas Witten hat eine Freiwilligenagentur namens Fokus gegründet. Sie ist eine Beratungs- und Vermittlungsstelle für alle, die sich gern in Witten ehrenamtlich engagieren möchten. Gemeinnützige Organisationen und interessierte Freiwillige kommen dabei zusammen. Fokus ist im Gebäude Hauptstraße 81 in Witten zu finden.

Interessierten Bürgern und Bürgerinnen bietet die Agentur Beratung und Informationen zu Engagement in Bereichen wie Soziales plus Tier- und Naturschutz, Kultur oder Sport. Kontakt: Enise Göktepe, 02302-421131; fokus@caritas-witten.de

Bisher legt Mendo Shahin Wege per E-Scooter zurück, aber auch per Bus und Bahn. Dabei soll es auf Dauer nicht bleiben. „Ich habe schon den deutschen Führerschein gemacht“, erzählt er stolz, „die Prüfung war für mich nicht schwer.“ Nächstes Ziel ist ein eigenes Auto. Momentan braucht es Mendo Shahin noch nicht. Ins Marienviertel kommt er zu Fuß.

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