Witten. Yohannes Mehari flüchtete aus Eritrea. Farid Mirzazada verließ seine Heimat Aserbaidschan. Beide arbeiten heute in Seniorenheimen in Witten.
„Wir schaffen das“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im großen Flüchtlingsjahr 2015. Ein Satz, der zu großen Kontroversen führte. Denn vor fünf Jahren stiegen die Flüchtlingszahlen dramatisch, über die Balkanroute drängten immer mehr Menschen nach. Yohannes Mehari kam 2015 nach Witten – nach einer abenteuerlichen Flucht aus seinem afrikanischen Heimatland Eritrea. Einer der Geflüchteten, die sagen können: „Ich habe es geschafft.“
Der Wunsch des 28-Jährigen, der seit fünf Jahren in Witten lebt: „Eine eigene Familie!“
Yohannes Mehari aus Eritrea, dem autoritär regierten Land in Ostafrika mit einer von unzähligen Kriegen geprägten Geschichte, strahlt. Auch wenn er von seiner gefährlichen Flucht erzählt. Er habe in seiner Heimat eine Ausbildung zum Krankenpfleger gemacht, sagt der 28-Jährige. Dann habe man ihn in Eritrea zum Militär einziehen wollen. Als er nicht freiwillig kam, habe ihn das Militär holen wollen. Meine Mutter sagte zu mir: „Yohannes geh weg. Mach das, was Dich glücklich macht.“ Der junge Mann flüchtete 2015 zu einer Tante. Mit einem Schleuser kam er in den Sudan. „Meine Familie hat dafür 2000 Dollar bezahlt.“ In der sudanesischen Hauptstadt Khartum wohnte er zunächst in einem Flüchtlingsheim. Dort wollte er nicht bleiben. Flüchtlinge, sagt er, würden von Sudanesen wie Sklaven behandelt. Mit dem Auto und zu Fuß brachten ihn Schleuser durch die Sahara nach Libyen. Ein Bruder, der in Kanada lebe, gab Geld. So ging es von Libyen aus mit dem Schlauchboot aufs Mittelmeer Richtung Sizilien.
„Wir waren rund 60 Menschen an Bord. Darunter auch Schwangere und Kinder.“ Nach drei Tagen auf dem Meer seien sie von einem Schiff aufgenommen worden und nach Sizilien, nach Palermo, gebracht worden. Von dort aus ging es mit dem Bus weiter nach Mailand. „Mein Ziel war nicht Italien. Ich wollte eigentlich nach Holland, wo ein Bekannter von mir lebte“, sagt Yohannes Mehari. Mit dem Zug fuhr er von Mailand aus nach München. „Dort bin ich im August 2015 angekommen.“ In Bayern habe man damals nur seine Fingerabdrücke genommen. „Man sagte uns, wir sollten uns selbst ein Flüchtlingsheim suchen.“
Mit einem 19-jährigen Flüchtling aus Eritrea fuhr der damals 23-Jährige mit einem Flexibus nach Frankfurt, weil sein Begleiter dort Verwandte hatte, wie er erzählt. Es ging in ein Flüchtlingsheim nach Gießen, dann weiter nach Gronau ins Münsterland, schließlich nach Witten. Hier lebte der Eritreer drei Monate mit anderen Flüchtlingen in der Mannesmannhalle, neben der Wittener Werkstadt. Weil er die Sprache lernen wollte, half er in der Werkstadt. Später arbeitete er als Putzkraft im Marien-Hospital. Als dort die Reinigungsfirma wechselte war er im Juli 2017 den Job los.
Sein großes Glück: Er erfuhr vom Caritasverband Witten und dessen Projekt „Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen“ (siehe Infobox). Caritas-Mitarbeiterin Kirsten Vowinkel lernte Yohannes Mehari kennen und schlug ihm vor, einen Hauptschulabschluss zu machen. Sie war beeindruckt: „Als Yohannes zum ersten Mal zur Caritas kam, war kaum eine Unterhaltung mit ihm möglich.“ Was Kirsten Vowinkel noch mehr beeindruckte: Neben dem Schulbesuch arbeitete der junge Afrikaner in der Wittener Seniorenresidenz Breddegarten als Pflegehelfer. Die Einrichtung hat ihm eine Ausbildung als Pflegefachmann in Aussicht gestellt.
Yohannes Mehari liebt die Arbeit mit alten Menschen, hat eine eigene Wohnung in Witten, auch deutsche Freunde. „Ich lebe gerne in Deutschland, fühle mich wohl“, sagt er strahlend. Der größte Wunsch des 28-Jährigen: „Eine eigene Familie, Kinder!“
Alles fing an mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Seniorenheim Feierabendhaus
Caritasverband Witten macht mit beim Projekt „Zukunft Plus“
Das Projekt „Zukunft Plus“ wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert. Es geht um die Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen.
Die Awo EN koordiniert sechs Teilprojekte des Netzwerkes „Zukunft plus“ im EN-Kreis sowie in Bochum und Herne, an die sich Arbeitsuchende und Betriebe wenden können. Der Caritasverband Witten verantwortet eines von sechs Teilprojekten in Witten, Wetter und Herdecke.
Asylbewerber und Flüchtlinge werden in Arbeit, Ausbildung und/oder Sprachkurse vermittelt. Der Fachbereich Integration und Migration des Caritasverbandes Witten klärt zum Beispiel auch, ob es Ansprüche auf Hilfen und Förderungen gibt. In Witten leben nach Auskunft der Stadt heute fast 1170 anerkannte Geflüchtete. 615 weiteren Menschen ist der Aufenthalt gestattet oder sie werden geduldet.
Quelle: WAZ Witten, 25.09.2020, Autorin: Jutta Bublies